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Kampfbegriff Phobie

Andere Meinungen als krank bezeichnen – ein klassischer Griff in die Trickkiste der Rhetorik, praktiziert von Anhängern jeder politischen Couleur. Der Neurologe und Psychiater Burkhard Voss beschäftigt sich in einem Beitrag auf der Cicero-Website mit dem medizinischen Begriff der Phobie und stellt die Frage, ob Homophobie, Transphobie, Xenophobie oder Islamophobie und dergleichen als Bezeichnungen für politische Positionen berechtigt sind – oder ob sie eher dazu dienen, um Andersdenkende aus dem „Zauberkreis der argumentativen Vernunft“ auszuschließen, da sie „Realitäten offensichtlich nicht mehr richtig wahrnehmen können“.

Noch ein markiges Zitat aus dem Beitrag:

„Dass eine Gesellschaft, die mit sozialen Abstiegsängsten, der Pflege dementer und multimorbiden Eltern, Flüchtlings-, Klima- und Corona-Krise, wirtschaftlichem Überleben usw. beschäftigt ist, für diese Stigmatisierung politisch Andersdenkender kaum sensibilisiert ist, ist nicht verwunderlich. Es verwundert aber sehr, wenn von psychiatrischen und psychologischen Fachgesellschaften zu dieser Entgrenzung eines psychiatrischen Krankheitsbegriffs nichts zu hören ist. Gerade die Psychofächer, die zu Recht die Stigmatisierung psychisch Kranker angreifen, haben dem Angriff auf politisch Andersdenkende durch Psychiatrisierung offensichtlich nichts entgegenzusetzen.“

Berechtigte Fragen, andererseits: Der Begriff der Phobie hat, wie in der Wikipedia nachzulesen ist, seine Wurzel im Altgriechischen phóbos, was Flucht, Furcht, Schrecken bedeutet. Die Medizin hat den Begriff übernommen, um damit Angststörungen zu bezeichnen. Im ursprünglichen altgriechischen Sinne gemeint, sollte die Bezeichnung also verwendbar sein, ebenso wie es im politischen Streit erlaubt sein sollte, „-feindlich“ oder „-kritisch“ an die Wortstämme zu hängen: schwulenfeindlich, fremdenfeindlich und so weiter. Das sind zwar alles Verkürzungen und Pauschalisierungen, aber Zuweisungen dieser Art sind bereits in der DNA politischer Rhetorik enthalten, aufgrund der erforderlichen Reduktion von Komplexität schwer verzichtbar und müssen wie alle Zeichenfolgen, die Gruppen anhand von Merkmalen bezeichnen, gleichzeitig abwerten und damit ihre Ausgrenzung fordern, kritisch entschlüsselt werden.

Phobie: Die Psychofalle im Politzirkus

Veröffentlicht in Debattenkultur Essays Wissenschaft

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