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Die Konservativen – sprachlos

Konservativ – was heißt das eigentlich? Der Begriff ist jedenfalls überwiegend negativ konnotiert. Dabei bedeutet er zunächst einmal nur bewahrend, nach dem Motto, dass das Neue begründungspflichtig ist, nicht das Alte, soweit es sich bewährt hat jedenfalls. Und es gibt ja wichtige Dinge, die bewahrenswert sind, oder erstrebenswert, zum Beispiel die Umwelt, der Frieden, die Gerechtigkeit (um einmal den Dreiklang des kirchlichen konziliaren Prozesses zu zitieren). Alexander Kissler stellt in seinem Beitrag für die Neue Zürcher Zeitung denn auch fest, dass die Konservativen das Erfordernis des Wandels, beispielsweise zum Schutz des Klimas, nicht weniger häufig im Munde führen als die „Progressiven“: „Auch die Union will an der Spitze des Fortschritts marschieren.“ Das Dilemma bringt Kissler so auf den Punkt: „Tatsächlich hat es die Konservativen immer ausgezeichnet, lieber gut regieren als gut argumentieren zu wollen. Sind sie von der Gestaltung ausgeschlossen, fallen sie in ein tiefes Loch. Sie müssen sich dann in einer Oppositionsrolle regenerieren, auf die sie mangels argumentativer Leidenschaft nicht vorbereitet sind.“ Der Konservativismus (diesen Ausdruck bevorzuge ich, er ist länger, aber sprachlich korrekter) habe auch in Deutschland „kein Nachfrage-, sondern ein Angebotsproblem. Wäre er ein kriselndes Unternehmen, das sich in Beratung begäbe, lautete der Ratschlag vermutlich: Markenkern stärken, Erkennbarkeit schaffen, Unterschiede betonen.“ Alles richtig, aber vielleicht liegt auch in solchen Ratschlägen ein Teil des Problems: Welcher Markenkern – irgendeiner, Hauptsache, er funktioniert und holt Stimmen? Erkennbarkeit als was? Worin soll der Unterschied liegen – beliebig, Hauptsache Unterschied? Zusätzlicher Rat daher von dieser Seite: Mal klären, wo die Reise politisch hingehen soll. Was ist die Mission, wo liegt das Ziel? Vielleicht fürchtet die Union die Antwort auf diese Frage, oder den Prozess, der zur Antwort führt.

Alles sein, bloss nicht unmodern: Warum der Konservatismus in Deutschland so schlechte Karten hat
Der künftige Vorsitzende der CDU übernimmt eine Partei, die einen Zeitgeist beklagt, den sie selbst beförderte. Ein Essay zur Lage der Konservativen dies- und jenseits der Union.

Veröffentlicht in # 01-22 Konservativismus

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