… und warum die OSZE wiederbelebt werden muss
Keine Frage: Es ist vernünftig, nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine die eigene Verteidigungsbereitschaft zu überprüfen und das Notwendige in die Wege zu leiten, um diese zu verbessern. Die Signale stehen auf Aufrüstung. Das ist aber nur eine Lektion aus dieser historischen Lehrstunde. Die zweite lautet: Es spricht viel für die Annahme, dass auch ein Scheitern der Kommunikation – an welcher Stelle auch immer, beabsichtigt oder nicht – dazu beigetragen hat, dass sich der russische Präsident Putin dazu entschieden hat, Politik mit den Mitteln des Kriegs fortzusetzen. Russland ist eindeutig der Aggressor, aber es hätte von westlicher Seite mehr getan werden können, um die Entwicklung zu verhindern. Als Ost und West sich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges 1975 auf die Schlussakte von Helsinki einigten, lagen viele Hoffnungen auf der KSZE oder später OSZE (Konferenz, später Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) als einer europäischen Sicherheitsarchitektur, die verhindern sollte, dass aus dem Kalten ein heißer Krieg wird. Eine Idee, die seit dem Ende der Sowjetunion aus westlicher Sicht obsolet wurde – die NATO, nun stark wie nie zuvor, wird es schon richten, so die Annahme, immerhin war ja nun das „Ende der Geschichte“ (Francis Fukuyama) mit der Chance auf weltweite Demokratie nach westlichem Modell ausgerufen.
Nun liefert aber gerade das westliche Verteidigungsbündnis (das nicht nur verteidigt, sondern durchaus auch angreift, wenn es dies für geboten erachtet, auch notfalls ohne UN-Mandat) der russischen Regierung den Hauptgrund für seine Aggression – aus Moskauer Sicht ein Präventivkrieg. Ob vorgeschoben oder nicht – ein erfolgreiches Wiederbeleben der OSZE könnte einer solche Argumentation die Grundlage entziehen. Die Organisation eignet sich nicht für die jetzt dringend notwendige Beendigung des Kriegs, aber es wäre überaus ratsam, diesen Vorschlag bereits jetzt in Friedensverhandlungen einzubringen.
Im Cicero beleuchtet Botschafter a. D. Rüdiger Lüdeking, der auf eine fast 40-jährige Karriere im Auswärtigen Dienst unter anderem als Botschafter bei der OSZE zurückblickt, die russische Aggression und mögliche westliche Handlungsoptionen, darunter vor allem die Stärkung der Verteidigungsbereitschaft von EU und NATO. Neben diesen konventionellen Methoden bleibe aber „auch die Frage der Gestaltung einer Russland einbindenden europäischen Sicherheitsarchitektur und ein Neubeginn in den Beziehungen mit dem großen, für die Sicherheit nicht nur Europas so wichtigen Land auf der Tagesordnung.“
Rüdiger Lüdeking: Nato und Russland – Der neue Kalte Krieg
Beitrag geringfügig sprachlich redigiert am 20. September 2023.
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