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Kritik des Szientismus

In dem Blogpost „’Folgt der Wissenschaft‘ – so einfach ist es leider nicht“ habe ich ein Plädoyer für den Szientismus vorgestellt, im Folgenden hat ein Kritiker das Wort. Der Wissenschaftsphilosoph Michael Esfeld, Professor an der schweizerischen Universität Lausanne und Mitglied der deutschen Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, mahnt, Wissenschaft dürfe man nicht zur Steuerung der Gesellschaft einsetzen: „Als politisches Programm – ,follow the science‘ – zerstört die Wissenschaft sich selbst und die Gesellschaft gleichermaßen.“ Er begründet das mit deutlichen Worten:

Wissenschaft als politisches Programm wird in der Fachsprache als „Szientismus“ bezeichnet und führt, politisch umgesetzt, zum Kollektivismus. Szientismus ist die Idee, dass der Gegenstandsbereich der Wissenschaft unbegrenzt ist und auch alle Aspekte unserer Existenz umfasst. So zum Beispiel auch die Moral: Wissenschaft gibt vor, was moralisch geboten ist. Diese Idee führt daher zu dem politischen Programm, die Gesellschaft gemäß wissenschaftlichen Vorgaben zu steuern. Dieses politische Programm ist ein Kollektivismus, weil eine wissenschaftliche Vorgabe für das allgemein Gute und seine Umsetzung über die Würde und die Rechte der einzelnen Menschen und ihrer sozialen Gemeinschaften wie der Familien gestellt wird.“

Esfeld warnt, solche Ideen könnten in Totalitarismus und Gewaltherrschaft münden. Von ferne wehen bei solcher Lektüre Begriffe aus der Vergangenheit herüber, Begriffe wie „wissenschaftlicher Sozialismus“ und „historischer Materialismus“, die den Anspruch markierten, den Naturgesetzen gleichkommende Gesetze für menschliches Handeln entdeckt zu haben und daraus die zwangsläufige, geschichtlich unvermeidbare Diktatur des Proletariats abzuleiten. Es sei ein Fehler, sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu berufen, „aus denen sich angeblich politische Handlungsanweisungen ergeben, die über den Grundrechten stehen. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben so nicht mehr den Status von Hypothesen, die man einer kritischen Prüfung durch Argument und Experiment unterzieht. Stattdessen erhalten sie den Status quasi-religiöser Wahrheiten, die man nicht in Frage stellen darf und die sogleich politisch umgesetzt werden sollen.“

Originalbeitrag:
Michael Esfeld: Pandemischer Szientismus (Originalbeitrag auf novo-argumente.com)

Zusammenfassung bei Cicero:
Politische Rolle der Wissenschaft – Corona: Szientismus oder Freiheit

Veröffentlicht in # 03-22 Corona Erkenntnistheorie Wissenschaft

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