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Katholiken wollen künftig beim Hamburger „Religionsunterricht für alle“ mitmachen

Gute Nachrichten für Freunde der gepflegten religiösen Debatte: Die Katholiken wollen sich jetzt ebenfalls dem Hamburger Modell des „Religionsunterrichts für alle“ anschließen, wie aus dem Hamburger Abendblatt zu erfahren ist. In dem umfassenden Beitrag (Link unten, Bezahlschranke) gibt Peter Ulrich Meyer einen Überblick zur aktuellen Entwicklung und zur Vorgeschichte.
Die Idee des Hamburger Modells besteht darin, die Schüler nicht nach Religionen aufzuteilen und getrennt zu unterrichten, sondern gemeinsam im Klassenverband. Entwickelt wurde das Konzept im Rahmen mehrjähriger Modellversuche unter Federführung der evangelischen Kirche; bereits dabei sind außer den Protestanten drei islamische Gemeinschaften sowie Juden und Aleviten. Angesichts der in der Vergangenheit und bis heute mit Religion begründeten Kriege und Unterdrückung ist das Konzept ein beeindruckender Beleg gegen die These, dass es in der Geschichte keinen Fortschritt gibt. Und es handelt sich um keine realitätsferne Multikulti-Schwärmerei, sondern funktioniert, wie eine Evaluation gezeigt hat.
Es gibt aus meiner Sicht noch offene Fragen, etwa, wie sich das Konzept auf Atheismus und Agnostizismus erweitern oder wie sich der – ab der siebten Klasse als alternatives Fach wählbare – Philosophieunterricht sinnvoll in dieses Spektrum integrieren ließe. Denn erfahrungsgemäß zählen an Philosophie Interessierte, Agnostiker und Atheisten häufig zu den Menschen, die sich ausgesprochen begeistert mit religiösen Themen beschäftigen. Zudem werden die Konfessionslosen über kurz oder lang die größte Gruppe in Deutschland bilden. Es wäre schade, wenn skeptische und religionskritische Gedanken, die ja auch auf Glauben beruhen, den Unterricht künftig nicht mit bereichern würden. In diesem Punkt ist allerdings Geduld ratsam, denn das Grundgesetz sichert den Religionsgemeinschaften einen Unterricht in ihrem Sinne – und nicht im Sinne eines neutral gedachten Staats – zu. Umso erfreulicher, auch erstaunlicher, dass in Hamburg Juden, Muslime, Aleviten und Christen – möge sich ihr Kreis erweitern – in einem gemeinsamen Projekt zusammengefunden haben.

Peter Ulrich Meyer
„Erdbeben“: Religionsunterricht nun auch mit Katholiken
Hamburger Abendblatt (online) am 28.04.2022

 

Veröffentlicht in # 04-22 Bildung Philosophie Religion

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